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Abenteuer mit dem Inlandsflug — aber anders als gedacht

Flug über die Karpaten mit Propellermaschine an-24
Wie berichtet, war ich doch etwas skeptisch gegenüber der Propellermaschine nach Kyjiw, trotz aller Beteuerungen, wie sicher diese Art zu fliegen doch sei. Der Flug begeisterte mich schließlich sehr, die Abenteuer kamen von anderer Seite.

Morgens geht nur ein Flug von Uschhorod, und der kleine Flughafen war noch fast leer, als ich mit dem Taxi ankam. Nur die Antonow-Maschine stand einsam auf dem Flugfeld. Gegen halb sieben begann die technische Prüfung, und die kleine Leiter am Einstieg hinten wurde ausgeklappt. Ein Hund lief gemütlich über die Rollbahn.

Das Einchecken ging dann recht unkompliziert, wie überall, und niemand bemängelte bei der Sicherheitskontrolle mein Schweizer Taschenmesser, das ich offen ins Körbchen legte. Nur die Frage der Dame am Röntgengerät: „Was ist das im Rucksack? Ein Fön?“ und meine Antwort „nein, ein Fotoapparat“ brachte mich etwas zum Schmunzeln. Etwa dreißig Personen liefen schließlich über das Flugfeld und stiegen die doch ziemlich klapprige Metall-Leiter ins Flugzeug hoch. Am Rumpf die vertrauenerweckende Aufschrift „Chop here with crash axe“; zu spät für einen Rückzieher, ich war drin…

Antonow AN-24

Antonow AN-24Sicherheitsinfos, Abflug. Die Propeller erzeugen ein anderes, lauteres Brummen als bei Düsenmaschinen, und Unterhaltungen waren kaum möglich. Langsam schwebten wir über die überschwemmten Felder rund um Uschhorod, und es ging Richtung Karpaten, wo es leider bewölkt wurde. Ein ruhiger Flug, und ich konnte zwischendurch mal kurz ins Cockpit, um ein Foto zu machen. Tee, Säfte, Sandwiches, und dann die Landung in Kyjiw Boryspil. Ganz ruhig setzte die Antonow auf, es ruckelte kaum, und die Abbremsung war sanft und gefühlvoll. Klasse.

Antonow AN-24 Cockpit

Heldenmutig durch ein Spalier von geschäftstüchtigen Taxifahrern gekämpft, und für 20 Hrywnja (etwa 3,50 Euro) mit dem Sammeltaxi ins Zentrum gefahren. Samstag und Sonntag in Kyjiw, nachmittags die müden Füße etwas hochlegen bei einer Bekannten in der Satellitenstadt voller moderner Hochhäuser — und abends wieder zum Flughafen, um 19:45 Uhr sollte der Flug gehen.

Meine Frage nach der Check-In-Zeit wurde kurz und knapp beantwortet: „Der Flug hat Verspätung — wir fliegen morgen früh um sechs.“ Da wurde mir doch schon am Boden ganz anders. Morgen früh sollte mein Zug von Uschhorod nach Budapest gehen, und von da aus um 17:10 Uhr mit Germanwings weiter nach Köln… 45 nervige Minuten zwischen Pontius, Natschalnyk und Pilatus später (ich kann auch laut werden) war mir klar geworden, daß ich nichts, aber auch garnichts machen konnte. Das Flugzeug war in Batumi! Keine Kompensation, keine Hotelübernachtung, kein Taxi nach Uschhorod. Nichts. „So machen wir das hier nicht.“ Nun gut, dann eben Plan B. So kamen die Taxifahrer doch noch zu ihrem Recht.

Zurück in die Satellitenstadt, und ich informierte meine Freunde, die sich dann nochmal aufregen durften. Meine Handyrechnung dürfte mir demnächst auch Freude bereiten…

Welche Optionen hatte ich? Über Nacht schneller nach Uschhorod zu kommen, um den Sechs-Uhr-Zug zu erreichen? Acht Stunden Fahrt, 300 Dollar. Und es würde knapp werden und ohne Schlaf. Mit dem Taxi Mittags von Uschhorod nach Budapest? — 150 Dollar, wäre zu machen, Marika telefonierte sich in Uschhorod die Finger wund. Den Flieger in Budapest sausen lassen, einen späteren Zug nehmen und dann einen Nachtzug nach Deutschland? Gibt es leider nicht, jedenfalls keinen direkten, und dann waren da noch die 10 Bände antiquarische Enzyklopädie im Rucksack…
Plan B

Also morgens halb acht (noch später als geplant!) Abflug — wieder ganz ruhig, ich habe mich selten so sicher beim Fliegen gefühlt. In Kyjiw gabs diesmal Gemecker wegen des Taschenmessers, sie ließen sich aber noch erweichen. Um halb 10 war ich in Uschhorod. Erst mal frühstücken, waschen, die stinkenden Socken von den brennenden Füßen — ich war nur auf eine Nacht in Kyjiw eingerichtet gewesen. Die Nerven lagen nach drei kurzen Nächten blank, aber es mußte vorangehen. Umsortieren, packen, doch wieder etwas da lassen. Um 12 Uhr stand Jura, der Fahrer, mit seinem Lada vor der Tür. Dreieinhalb Stunden sollte es bis Budapest dauern, und ich hatte — inklusive der Zeitverschiebung von einer Stunde — fünfeinhalb Stunden bis 16:30 Zeit. Um 16:40 war Schluß mit Check-In.

Brüllende Hitze, die Grenze mit einer halben Stunde Stau, unkompliziert. Jura heizt über die Landstraße, aber dennoch war es zehn vor vier, als wir in Budapest einfuhren. Keine Flughafenschilder weit und breit, und immer noch keine Umgehungsautobahn. Jura hatte keine Ahnung, wo der Flughaben ist, und ich nur eine ungefähre. Zum Glück sprach er Ungarisch. Die Zeit lief. Wir mußten wieder 10 Kilometer aus der Stadt raus. Schließlich war es 16:30, als wir am Abflugterminal vorfuhren. Schweißgebadet, mit 22 Kilo auf dem Kreuz, hechelte ich zum Germanwings-Schalter. „Relax, you are in time.“ Halleluja.

P.S.: Als über Österreich und Bayern die Anschnall-Lichter angingen, und der Düsenflug so unruhig wurde, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte, draußen die Flügelspitzen des Airbus heftig schlackerten, vermißte ich die gemütliche Antonow…

von elya, 24.05.05
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Jungs in Uschhorod „Aber zurück zu dem Bild, das mir nicht aus dem Kopf geht: der kleine Junge, versunken in die Betrachtung des Flusses. Da drüben beginnt die Neue Welt.“
(Jurij Andruchowytsch, Mein Europa)